Kalibrierung

Hände weg vom Kabel?

Gerade in grossen Hallen kommt man als Messtechniker rasch auf die Idee, die Signale vom Mikrofon zu seinem Mess-System mittels Drahtlostechnologie zu transportieren. Allerdings sind bei weitem nicht alle Sendestrecken für Mess-Zwecke geeignet. Viele Modelle erzeugen Artefakte welche die Messungen in mehr oder weniger starkem Umfang und oft in unbekannter Weise verfälschen. Über die Hintergründe, die Voraussetzungen und eine Auswahl für Messzwecke geeignete Systeme informiert dieser Artikel.

Wider alles Kablige

Als Messtechniker wünscht man sich oft eine drahtlose Signalübertragung. Müssen in grösseren Hallen Hunderte von Metern Kabel zwischen den Messpositionen und dem Mess-System verlegt werden, oftmals noch zwischen Stuhlreihen und über Galerien hinweg, so dass sich die Kabel an jeder Ecke verhaken, kommt rasch der Wunsch nach einer Funkstrecke auf.

Tontechniker wissen im Allgemeinen anhand von eigenen Praxisversuchen oder mindestens vom Hörensagen, dass eine Kabelstrecke einer Drahtlosverbindung deutlich überlegen ist. Sowohl bezüglich Betriebssicherheit als auch Audioqualität, liegen oft gefühlte Welten zwischen den beiden Lösungen. Wer hohe Ansprüche an die Signalqualität hat, wird deshalb Drahtlosübertragungen nur dann einsetzen, wenn es unumgänglich ist.

Wenn es um (elektro-)akustische Messungen geht, kommen einige zusätzliche Aspekte ins Spiel, die bei "normalen" Anwendungen keine wesentliche Rolle spielen, den Einsatz von Drahtlosstrecken aber recht heikel machen.


2-Kanal-FFTs und Impulsantworten

Fourier FFT

Alles klar? (inverse) Fourier Transformation und deren "Erfinder" Jean-Baptiste Fourier, 1768-1830; Bild Fourier: Wikipedia

Nahezu alle in der Praxis verwendeten, computergestützten Mess-Systeme (SysTune, Smaart, SAT Live, Wave Capture, SIM 3, um nur mal die gängigsten und weitverbreitetsten Softwares zu nennen) arbeiten auf der Basis von 2-Kanal-FFTs (Fast Fourier Transformation). Im Gegensatz zu einkanaligen Messungen, kann man damit nicht nur den Amplitudenfrequenzgang, sondern auch den Phasenfrequenzgang eines Systems messen. Letzterer stellt die relativen zeitlichen Bezüge der einzelnen Frequenzen (genauer: der einzelnen Bins der FFT) zueinander dar und ist unabdingbar, um Beschallungssysteme zu optimieren und korrekt einzumessen.

Amplitude und Phase des Systems bilden zusammen die komplexe Übertragungsfunktion, welche in Mess-Softwares meist in Form einer Transferfunktion dargestellt wird, welche die relative Differenz der beiden Kanäle der FFT darstellt. Die beiden Signale, die verglichen werden, werden oft als Mess-Signal (Mikrofon) und Referenzsignal ("Loopback") bezeichnet.

2 Kanal FFT

Klassischer 2-Kanal-FFT-Aufbau mit Mess-Signal (Kanal 1) und Loopback als Referenzsignal (Kanal 2)

Mit Hilfe einer inversen Faltung auf der Zeitebene oder einer komplexen Division auf Frequenzebene, können einige Programme aus der Übertragungsfunktion auch eine Impulsantwort berechnen und darstellen, manchmal sogar in (Quasi-) Echtzeit. Damit werden zusätzliche Informationen über das gemessene System sichtbar, oder genauer: sie werden in einer anderen Form (Zeitebene) dargestellt, denn inhaltlich und formal handelt es sich um identische Informationen, da sie ja auch aus ein und derselben Messung resultieren.

Die Impulsantwort enthält gemäss Systemtheorie alle akustischen Informationen des gemessenen Objektes. Deshalb können durch mathematische Umformung und Prozesse auch beliebige andere akustische Daten aus ihr gewonnen werden, beispielsweise Nachhallzeit, Sprachverständlichkeitsindizes und vieles mehr.

Impulsantwort

Impulsantwort als Dreh- und Angelpunkt moderner Messplattformen (www.zehner.ch)


LTI-Systeme

Damit das alles aber so funktioniert, wie oben geschildert, gibt es eine wichtige Voraussetzung, die manchmal ein wenig vergessen geht: Das System, welches gemessen wird, inklusive der gesamten Mess-Strecke, muss sich linear und zeitinvariant verhalten, im Englischen spricht man von LTI-Systemen (linear-time-invariant System). Gelegentlich begegnet man auch der deutschen Abkürzung LZI-System.

Vereinfacht gesprochen bedeutet dies, dass die Beziehung zwischen dem Ein- und dem Ausgang eines gemessenen Systems durch einen konstanten, linearen Faktor beschreibbar sein muss. Dieser beschreibende Faktor darf sich weder über die Zeit, noch in Abhängigkeit der Amplitude verändern. Ist diese wichtige Voraussetzung nicht gegeben, treten in der Folge nämlich mehr oder weniger grosse Fehler in den Ergebnissen der FFT auf, die sich in der Regel nicht mehr entfernen lassen oder aber dann lediglich genau für den getesteten Einzelfall gelten. Es ist dann also nicht bekannt, inwiefern ein bestimmtes Verhalten tatsächlich dem gemessenen System zuzuordnen ist und inwieweit es sich um einen Artefakt handelt, der aufgrund der zeitlichen Varianz oder der Nichtlinearität entstanden ist.

Am Rande sei hier bemerkt, dass auch das Mess-Signal selbst einen erheblichen Einfluss auf die Anfälligkeit auf solche Fehler haben kann. So sind jegliche Arten von Rauschen besonders anfällig, während sich Messungen mit Sinus-Sweeps prinzipbedingt deutlich robuster zeigen. Falls es die Software erlaubt, können bei Messungen mit Sinus-Sweeps nichtlineare Verzerrungen sogar vollständig eliminiert werden. Nichts destotrotz sollte man darauf achten, die genannten Kriterien bei Messungen möglichst einzuhalten.

In der tontechnischen Praxis gibt es eine ganze Reihe von Signalprozessen und Systemeigenschaften, die dazu führen können, dass die LTI-Grundvoraussetzung verletzt wird. Ich gehe im Folgenden aber nur auf zwei Aspekte ein, welche im Zusammenhang mit Drahtlos-Mess-Systemen relevant sind, nämlich auf Kompanderschaltungen in analogen und Daten-Kompressions-Algorithmen in digitalen Funksystemen.

Funkfrequenzen sind ein rares Gut, um das sich zunehmend mehr Akteure, wie Radio- und TV-Sender, Mobilfunkanbieter und eben auch die Veranstaltungsindustrie bemühen. Nicht zuletzt, damit sich verschiedene Nutzer nicht in die Quere kommen, ist die Funkübertragung, was die Frequenzzuteilungen aber auch die technische Auslegung an Modulations-Verfahren, Sendeleistungen etc. betrifft, staatlich reglementiert. Die Audio-Industrie steht somit vor der Herausforderung, innerhalb des ihr gesetzlich zugeweisenen Spielraums möglichst viele Audiokanäle sicher und in genügender hoher Qualität übermitteln zu können. Die dem Audiogewerk staatlich zugewiesenen Frequenzbereiche werden immer kleiner, was nicht zuletzt auch damit zusammenhängt, dass andere Akteuere mit einer ganz anderen Marktmacht, politischem Einfluss und auch mit erheblich grösseren finanziellen Mitteln (Stichwort: Verstiegerung von Lizenzen) operieren. Auf der anderen Seite ist der Kanalbedarf in den vergangenen Jahren regelrecht explodiert: Als ich anfing, mich mit Audiotechnik zu beschäftigen (es ist schon ein paar Jahre her), gab es auf Konzertbühnen - wenn überhaupt - vielleicht mal eine Funkstrecke, meist für den Lead-Sänger. Technisch kann man die Situation durch eine bessere Kanaltrennung oder Multiplexverfahren entschärfen, um mehr Kanäle in einem begrenzten Frequenzband übertragen zu können.

Kompander-Schaltungen in analogen Funkstrecken

Um über eine analoge (Audio-)Funkstrecke einen genügend hohen Dynamikbereich in der gewünschten Qualität übertragen zu können, sind Kompanderschaltungen unumgänglich. Im Sender wird das Signal komprimiert, um die Dynamik zu reduzieren und dieser Prozess wird im Empfänger durch den Expander wieder rückgängig gemacht, um die ursprüngliche Dynamik zu rekonstruieren. In einer schönen, perfekten Welt würde dieser Prozess verlustfrei arbeiten. Nun ist die Welt aber nicht immer schön und nur äusserst selten perfekt. In der Praxis ist deshalb damit zu rechnen, dass durch die Signalbearbeitung mehr oder weniger grosse Artefakte im Signal entstehen.

Jeder Kompressor erzeugt zwangsläufig nichtlineare Verzerrungen und je nach konkretem Mess-Setup und Signalkondition verhält sich eine Kompanderschaltung auch nicht zeitinvariant, womit man sich also gleich beide LTI-Ausschluss-Kriterien einhandelt. Wie bei jeder Dynamik-Bearbeitung (denn dies ist letztlich ihr eigentlicher Zweck) ist die Art und Stärke der Kompression abhängig vom Eingangssignal, insbesondere vom Pegel, der spektraler Zusammensetzung und dem zeitlichen Verlauf. Damit kommt aber eine Komponente hinzu, die abgesehen von ganz simplen Konditionen, zu nicht mehr vorhersehbaren Ergebnissen führt. Alles in allem ist somit eine analoge Funkstrecke in den meisten Fällen nicht sinnvoll innerhalb einer Mess-Kette betreibbar.


Daten-Kompression bei digitaler Übertragung

Werden die Signale in Form eines digitalen Codes übertragen, kann man im Prinzip auf eine Kompander-Schaltung verzichten. Viele Hersteller werben denn auch ausdrücklich mit diesem Feature, welches für eine höhere Audioqualität sorgt.

Allerdings muss nun ein Weg gefunden werden, die Bitrate - gerade auch im Hinblick auf die Übertragung mehrerer Kanäle - möglichst klein zu halten, um nicht zuviel RF-Bandbreite zu belegen. Die Thematik der Datenkompression ist komplexer Natur und es gibt in der Nachrichtentechnik eine Vielzahl von Methoden und Ansätze für unterschiedlichste Anwendungszwecke. An dieser Stelle sollen nur einige kurze und grundlegende Anmerkungen erfolgen.

Bei der Datenreduktion (manchmal spricht man auch von verlustbehafteter Datenkompression) entscheidet ein Algorithmus, welche Audiodaten irrelevant sind, weil sie beispielsweise aufgrund von Maskierungseffekten oder der begrenzten Frequenzauflösung des Gehörs unhörbar sind. Ein typisches Beispiel hierfür ist der MP3-Codec. Je kleiner die Bitrate, desto mehr Daten werden unwiderruflich eliminiert und desto wahrscheinlicher wird es, dass einige oder gar nahezu alle Hörer den Datenverlust in Form einer Verschlechterung der Audioqualität bemerken werden.

Solche Datenreduktions-Verfahren, wie sie teilweise in digitalen Funkystemen genutzt werden, sind prinzipiell ein "No-Go" für Mess-Systeme. Um dies (etwas simplifiziert) darzustellen: Wird eine bestimmte Frequenz durch den Codec entfernt, weil sie als unhörbar klassiert wird, entsteht im Messergebnis eine entsprechende Senke im Frequenzgang. Es ist im Nachhinein nun aber nicht mehr möglich, festzustellen, ob diese Senke eine Eigenschaft des eigentlich zu messenden Systems ist (sagen wir einen Lautsprecher in einem Raum) oder ob sie durch die Datenreduktion zustande kam. Die Messung wird damit faktisch und mindestens bei dieser Frequenz unvorhersehbar und unbrauchbar. Unvorhersehbar auch deshalb, weil - im Beispiel - diese eine Frequenz ja nicht immer fehlt, sondern abhängig vom Gesamtkontext dynamisch behandelt und "bearbeitet" wird. Das Ergebnis einer Messung kann und wird somit anders ausfallen, als bei der Verwendung eines realen Musiksignals.

Bei der (nicht verlustbehafteten) Datenkompression geht es darum, die Datenmenge zwecks Übertragung oder Speicherung zu reduzieren, das Signal im Decoder aber wieder vollständig und ohne Verluste wiederherzustellen. Ein bekanntes Beispiel aus der Computerwelt sind etwa ZIP-Archive: Im Gegensatz zur MP-3-Analogie, bei der dann einzelne Buchstaben oder Worte eines Textes fehlen würden, weil man sie aus dem Kontext heraus ergänzen kann, wird hier der Text vollständig und ohne jeglichen Informationsverlust wieder hergestellt. Die Kompression erfolgt dabei primär durch die Ausnutzung von Redundanzen und deren platzsparender Codierung.

Im Audiobereich und ganz besonders bei der Übertragung von einem einzelnen Funk-Kanal ist es nun aber leider so, dass nur sehr wenig Redundanz besteht, weil sich der Audiodatenstrom kontinuierlich und kaum vorhersehbar ändert. Im Gegensatz zum MP3- oder ZIP-Beispiel, kann man auch nicht die Datei als Ganzes analysieren und komprimieren, da wir ja in (Quasi-) Echtzeit übermitteln müssen und eine solche Kompression deshalb kontinuierlich, ohne grossen Zeitverlust (maximal einige wenige Millisekunden) stattfinden muss.

Wie die Hersteller nun konkret vorgehen, um das Datenvolumen zu reduzieren, ist grundsätzlich Betriebsgeheimnis und wird nicht öffentlich kommuniziert und publiziert. Allen Codecs gemeinsam ist, dass sie mehr oder weniger grosse Zeitvarianzen verursachen, die sich (aufgrund der recht kleinen Zeitversätze) primär bei hohen Frequenzen äussern. Einige Hersteller zerlegen das Audiosignal in einzelne Bandbereiche, übermitteln die datenkomprimierten Signale und setzen sie im Empfänger wieder zusammen. Womöglich äussert sich dies dann in "merkwürdigen" Sprüngen des Phasenfrequenzgangs oder sichtbaren Artefakten im Amplitudenfrequenzgang.

Markus Zehner Akustik

Nicht-LTI-Bedingungen in Messergebnissen

Um die folgend präsentierten Messungen besser interpretieren zu können, hier noch einige Hinweise, wie sich Nicht-/LTI-Systeme in Messungen äussern: Zunächst einmal muss (z.B. im Amplitudenfrequenzgang) ein identisches, nur durch Unterschiede des Gesamtpegels gekennzeichnetes, Ergebnis herauskommen, unabhängig davon, welche Art von Stimulus (Sweep, Rauschen), welchen Pegel oder welche FFT-Blockgrösse man verwendet. Haben die Mess-Stimuli die gleiche Bandbreite (z.B. die üblichen 20 Hz bis 20 kHz), müssen die Ergebnisse stets identisch sein, mit Ausnahme allenfalls der Frequenzauflösung (abhängig von Stimulus-Länge bzw. FFT-Blockgrösse) und des Signalrauschabstands (abhängig von Stimulus, Pegel, FFT-Blockgrösse und Anzahl gemittelter FFT-Blöcke). Ist dies nicht der Fall, dann hat man es ganz offensichtlich mit einem System zu tun, welches sich nicht linear verhält. Um Missverständnissen vorzubeugen: "linear" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass das System einen ausgeglichenen Frequenzgang aufweisen muss, sondern dass der Frequenzgang unabhängig vom eingespeisten Pegel identisch bleibt.

Eine Zeitvarianz äussert sich meistens dadurch, dass bei mehreren aufeinanderfolgenden Messungen ein- und desselben Systems unter identischen Konditionen, jedesmal mehr oder weniger unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Oftmals sieht man diese Unterschiede bereits anhand des Amplitudenfrequenzgangs. Offensichtlicher sind sie aber meist bei Betrachtung des Phasenfrequenzgangs oder der Impulsantwort. Im schlechtesten Fall ist die Impulsantwort bei mehreren aufeinanderfolgenden Messungen zeitlich nicht am gleichen Ort, was manchmal auch anhand der automatischen Zeitkompensation des Mess-Systems ("Delay-Finder", "Peak-to-Delay") ersichtlich ist, die dann bei jeder Messung einen leicht anderen Wert ermittelt.

Aus naheliegenden Gründen kann man beispielsweise kein Phasenalignement zwischen verschiedenen Lautsprechern (z.B. Topteil und Subwoofer) durchführen, wenn jede Messungen eine andere, gänzlich unbekannte Zeitkomponente enthält, die womöglich noch innerhalb einer einzelnen Messung variiert. Auch ein zeitlicher Angleich z.B. von Delay-Lautsprechern ist in diesem Falle ausgeschlossen.

Ganz generell lässt sich zudem sagen, dass sowohl analoge als auch digitale Funkstrecken ausgesprochen sensibel auf "künstliche" Mess-Signale wie Sinus-Sweeps und Rauschen reagieren. Deshalb sind in ausnahmslos allen je von mir getesteten Strecken mehr oder weniger grosse Artefakte in den Messergebnissen sichtbar, welche den Kompandern oder den Kompressions-Algorithmen geschuldet sind.

Für den "normalen" Einsatz im Musikeralltag, sagen wir bei der Übertragung einer Gesangs-Stimme oder eines Instrumentes, spielt all dies meist keine wesentliche Rolle, da die Hersteller natürlich bemüht sind, die Systeme so auszulegen, dass keine hörbare Degradierung des Audiosignals entsteht; dass dies nicht vollständig gelingt kann man schon daran erkennen, dass ein direkter A-/B-Vergleich einer Sendestrecke mit einer ansonsten identischen Kabelverbindung zu hörbaren Unterschieden führt. Nach dem Grundsatz "der Zweck heiligt die Mittel", werden Kompromisse bei der Audioqualität bis zu einem gewissen Grad zugunsten der Bewegunsfreiheit des Musikers (oder der Bequemlichkeit des Tontechnikers) in Kauf genommen. Der Einsatz innerhalb einer Mess-Strecke ist hingegen wegen der Verletzung der LTI-Kriterien äusserst heikel bis manchmal unmöglich.

Abhängig von den Parametern der FFT, dem eingespeisten Signalpegel und dem verwendeten Stimulus fallen diese Artefakte sehr unterschiedlich aus. Für den Praktiker stellt sich deshalb die Frage, inwieweit sie sich z.B. in der Transferfunktion wegglätten lassen und wie mit einer konkreten Mess-Strecke in einer konkreten Mess-Situation ein Setup gefunden werden kann, welches die Unzulänglichkeiten der Systeme möglichst eliminiert. Ganz besondere Vorsicht scheint geboten, wenn weitere akustische Parameter untersucht werden, die aus der Impulsantwort generiert werden, wie beispielsweise Sprachverständlichkeitsmessungen, Nachhallzeit und mehr.

Eine weitere Unzulänglichkeit bei der Messung mit Sweeps und/oder Rauschsequenzen zeigt sich auch darin, - auch dies werden die folgenden Beispiele zeigen - dass oftmals erhebliche Artefakte entstehen, wenn die Sender nahe an die Vollaussteuerung gefahren werden: Obschon dann keinerlei Übersteuerungen oder der Einsatz eines Sendelimiters angezeigt werden, entstehen teils erhebliche Verzerrungen der Übertragungsfunktion.


Testkandidaten und Messaufbau

Die folgend dargestellten Testobjekte stammen teils aus meinem eigenen Fundus, wurden bei Gelegenheit im Feld vermessen oder sind mir von den Herstellern und Importeuren für einen Test kostenlos zur Verfügung gestellt worden.

Es handelt sich um einfache Feldtests und keine hochwissenschaftlichen Untersuchungen unter reproduzierbaren Laborbedingungen. Für die Aussagen, die ich im Folgenden herauskristallisieren werde, stellt dies keine Einschränkung dar. Dennoch ist der Sinn dieses Artikels nicht zuletzt, den Leser zu ermuntern, eigene Untersuchungen anzustellen, die sein relevantes Equipment und die üblichen Anwendungsfälle umfassen. In den folgenden Beispielen finden sich eine Vielzahl von Anregungen, wie man dabei vorgehen kann und was zu beachten ist.

Alle Tests (mit einer System-bedingten Ausnahme, auf die ich noch eingehen werde) erfolgten mit identischem Mess-Equipment (RME-Babyface mit Hardwire-Loopback, AFMG SysTune) und unter identischen Testkonditionen. Die dargestellten Frequenzgänge sind - wenn nicht anders vermerkt - in 1/96-Auflösung dargestellt und die Mess-Stimuli hatten eine Sequenzlänge von 750 Millisekunden bei einem gemittelten FFT-Block. In einem 44,1-/48-kHz-System erreicht man damit eine ausreichende und grosszügige Frequenzauflösung von rund 1,4 Hz bei angenehm kurzer Messdauer. Wie wir noch sehen werden, ist dies bei einer Drahtlos-Übertragung allerdings keineswegs immer die beste Wahl.

Von Interesse war und getestet wurde lediglich die Audio-Übertragungsstrecke an sich, ohne Einfluss von Lautsprechern, Raum oder Mikrofonen. Aus diesem Grunde habe ich die Mess-Signale direkt in die Empfänger der Systeme eingespeist (Aufstecksender oder Beltpack) und am Empfänger den direkten analogen Audioausgang gemessen. Es erfolgte keinerlei Test, über die Qualität der Funkübertragung (RF-Signal); es kann bei den unten dargestellten Ergebnissen von optimalen Übertragungskonditionen ausgegangen werden.

Sennheiser und Lectrosonics (und einige weitere, hier nicht genannte Hersteller) bieten Aufstecksender mit XLR-Anschluss an, welche die angeschlossenen Mikrofone auch mit Phantomspeisung versorgen können. Die meisten der dargestellten Modelle verwenden jedoch einen Taschensender. Mit anderen Worten, muss man also je nach eingesetztem Mikrofon eine Spannungsversorgung und evtl. einen Vorverstärker einsetzen, die dann natürlich auch mit Batteriebetrieb funktionieren sollten. Das Equipment wird damit also vom Aufbau her etwas komplizierter und unhandlicher. In den meisten Fällen wird man sich deshalb auf die Lösung mit Aufstecksender beschränken wollen, was aber auch die Auswahl an Herstellern und Modellen stark einschränkt. Ich finde es im Rahmen dieses Artikels aber dennoch interessant, auch herkömmliche Beltpack-Empfänger-Verbindungen darzustellen und sei es nur, um auf wesentliche Unterschiede zwischen den diversen Systemen hinzuweisen.

Ein kompletter Test einer Funkstrecke, wie ich ihn durchführe besteht aus einer "standardisierten" Sequenz, die rund 100 Einzelmessungen umfasst, nebst den vertieften Analysen im Post-Prozessing. Die dargestellten Ergebnisse stellen somit nur einen kleinen Teil der Ergebnisse dar. Es geht mir vor allem darum, aufzuzeigen, wodurch sich brauchbare von unbrauchbaren Modellen unterscheiden und worauf man speziell achten sollte.

Selbst bei Betrachtung aller mir vorliegenden Daten und Informationen und erst recht in der folgend komprimiert dargestellten Form, muss man sich bewusst sein, dass nicht mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich die Systeme unter allen Voraussetzungen wie folgend beschrieben verhalten. Würde es sich um in allen Punkten echte LTI-Systeme handeln, wäre die Sache verhältnismässig einfach. Da sich keines der Systeme hundertprozentig LTI-konform verhält, kann aber nicht vorhergesagt werden, wie sie sich unter unendlich vielen unterschiedlichen Situationen im Einzelfall (Pegel, Signalformen, Übertragungsfunktionen der Messmikrofone und Lautsprechersysteme etc.) verhalten werden. Vor einem Einsatz sind deshalb weitergehende Testserien anzuraten.


System A: Analoge Funkstrecke

Das im 1,8 GHz arbeitende System ist in einem preisgünstigen Segment angesiedelt und zielt auf den Musiker-Einsteigermarkt ab. Es ist ein Beispiel für ein System, welches für Messungen auf gar keinen Fall eingesetzt werden sollte.

Die folgende Grafik zeigt, was passiert, wenn man das System mit Sinus-Sweeps unterschiedlicher Länge zwischen 0,75 und 6 Sekunden anregt. Wie weiter oben beschrieben, dürfen sich abgesehen von Signal-Rauschabstand und Frequenz-Auflösung keinerlei Unterschiede ergeben.

Sendestrecke analog

Offensichtlich reagiert das System ausgesprochen zickig auf die Sinus-Sweeps und kommt insbesondere im LF-Bereich überhaupt nicht klar. Je kürzer der Stimulus, desto früher setzt eine Hochpassfilter-Charakteristik ein. Ausserdem sind erhebliche Welligkeiten enthalten, die so natürlich nicht sein dürfen, sich auch im Phasenfrequenzgang äussern und die Messungen praktisch unbrauchbar machen.

Auch wenn die Ausprägung dieses Verhaltens in diesem Falle extrem sind, finden sich ähnliche Effekte, meist aber in deutlich schwächerer Form, in allen mir bekannten analogen Funkstrecken wieder, da sie in der Funktionsweise der Audiokompression liegen, die für derartige Signale offensichtlich nicht sonderlich gut geeignet ist. Bei einer Anregung mit einem "kontinuierlichen", breitbandigen Signal (Rauschen) sind diese Effekte meist weniger sichtbar, wie die folgenden Beispiele noch zeigen werden. Andererseits entsprechen Messungen mit Rausch-Sequenzen längst nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik, weshalb die Frage erlaubt sein muss, ob der Einsatz einer solchen Strecke denn überhaupt noch einen Sinn ergibt.

Am Frequenzgang des oben dargestellten Beispiels mag man ferner den Buckel im Hochtonbereich bemängeln. Solche Unebenheiten lassen sich im Post-Prozessing oder bereits während der Messung mit Hilfe einer Normalisierungsfunktion problemlos eliminieren. Oder aber man weiss einfach, dass sein System diesen Buckel hat und berücksichtigt ihn dann nicht weiter. Aus der nächsten Abbildung ist aber ersichtlich, dass eine Kompensation welcher Art auch immer hier nicht funktionieren würde, weil der HF-Anstieg unerfreulicherweise stark Pegelabhängig ist. Wiederum mit einem Sinus-Sweep gemessen, wurde das Signal hier mit unterschiedlichem Pegel in die Mess-Strecke eingespeist (4x mit jeweils 10 dB Pegelunterschied, wobei das lauteste Signal knapp unter Vollaussteuerung des Senders angesiedelt wurde). Deutlich ist zu erkennen, dass sich die Kurven nicht einfach nur parallel verschieben, wie dies bei einem linearen System der Fall wäre. Neben deutlichen Veränderungen der HF-Überhöhung, sind auch Änderungen der Welligkeiten im LF zu sehen.

Sendestrecke analog

Auch dieses Verhalten ist bei vielen analogen Funkstrecken in mehr oder weniger starker Ausprägung zu sehen. Mindestens eine Ursache liegt daran, dass die Kompander mit erheblichen nichtlinearen Verzerrungen und weiteren Artefakten auf gleitende Sinus-Signale reagieren und zwar bereits weit entfernt von der Vollaussteuerung der Systeme.

Wie sieht es nun aus, wenn man anstelle des Sinus-Sweeps ein gleichlanges deterministisches rosa Rauschen verwendet? Nun, auf jeden Fall anders. Auch das dürfte nicht sein, bei einem LTI-System ist das Ergebnis grundsätzlich unabhängig vom verwendeten Stimulus.

Sendestrecke analog

Zwecks besserer Darstellung der Unterschiede zwischen Sweep und Rauschen und der Pegelabhängigkeit sind die Ergebnisse unten noch einmal in normalisierter Form dargestellt, indem der Pegelversatz bei der Messung eliminiert wurde.

Sendestrecke analog

Das System ist für Messungen natürlich gänzlich ungeeignet (nachdem ich das gesehen habe, möchte ich es eigentlich auch für keine andere Anwendung einsetzten). Das Ergebnis einer akustischen Messung ist völlig unvorhersehbar und es ist nicht möglich, zu sagen, welche Artefakte die Funkübertragung produziert hat und was wirklich auf das Konto der gemessenen PA-Anlage geht. Wird beispielsweise ein System in unterschiedlichen Entfernungen und damit bei (auch frequenzabhängig) unterschiedlichen Pegeln gemessen, entstehen die eben beschreibenen Unterschiede in den Messergebnissen.


Sennheiser SKP 2000 und EM 300 G4 (analog)

Dass dies sehr viel besser geht, zeigt das folgende analoge UHF-System von Sennheiser aus der G4-Serie, welches aus einem Aufstecksender SKP2000 nebst dazugehörendem Empfänger EM300 besteht. Nennenswerte Zeitvarianzen treten keine auf, wie man dies von analogen Drahtlosstrecken erwartet. Ebenso erfreulich: Die Abhängigkeiten von der FFT-Blockgrösse sind nur minim und äussern sich vorwiegend unterhalb von 50 Hz. Etwas aus dem Rahmen fällt der 750 Millisekunden-Stimulus unterhalb von 60 Hz, den man womöglich vermeiden sollte.

Sennheiser SKP 2000

Gut schlägt sich das System auch bei unterschiedlichen Pegeln. Bei den Sweep-Messungen sind allerdings unterhalb von 80 Hz Differenzen erkennbar, während sich die Messungen mit Rauschen konstanter verhalten. Wenn auch deutlich weniger krass, zeigt sich auch hier eine gewisse "Überforderung" des Kompanders mit dem Sinus-Sweep.

Sennheiser SKP 2000

Was ansonsten den Frequenzgang betrifft, ist er von einem geringen, unbedeutenden Abfall im HF und der Charakteristik des Hochpassfilters geprägt, während der Mittenbereich linear verläuft. Hochpasse sind in analogen Funkstrecken schon aus Übertragungstechnischen Gründen implementiert und bei Instrumenten und menschlichen Stimmen auch von Vorteil. Bei einigen Modellen lässt sich der Hochpass auch ausschalten oder in der Eckfrequenz ändern, wovon man beim Einsatz als Mess-System auch Gebrauch machen sollte, also auf "aus" oder mindestens so tief wie möglich angesetzt. Der verbleibende Abfall muss natürlich bekannt sein und berücksichtigt werden; schöner wäre es zweifellos, wenn er bis zur unteren Grenzfrequenz der gemessenen Anlagen gar nicht erst auftreten würde. Auch hier zeigt sich halt, dass der primäre Anwendungszweck solcher Systeme nicht akustische Messungen sind.

Ein grosser Vorteil analoger Funkstrecken ist übrigens auch, dass sie praktisch keine Latenz beinhalten, sie liegt üblicherweise in der Grössenordnung von gerade mal 50 Mikrosekunden (0,05 ms). Signal-Verarbeitung und -Wandlung in digitalen Funkstrecken benötigen demgegenüber Zeit, weshalb sich übliche Latenzen von analogem Sender-Ein- bis analogem Empfänger-Ausgang meistens um die 2,4 ms bewegen. Im Zusammenhang mit Musikermonitoring und einer Kumulation von Latenzen durch mehrfache AD-/DA-Wandlung kann dies sehr kritisch werden; für Messzwecke hingegen ist eine Latenz im Grunde genommen bedeutungslos, sofern sie sich stabil und unveränderlich verhält, da hierbei lediglich relative zeitliche Bezüge von Interesse sind.

Abschliessend kann man zum getesteten Modell von Sennheiser sagen, dass es sich mit der nötigen Vorsicht durchaus für Messungen einsetzen lässt. Über den genauen Messaufbau im konkreten Anwendungsbereich sollte man sich zunächst aber noch etwas Gedanken machen.


Kompanderfreie Sennheiser-Funkstrecke (analog)

Eine gängige Messlösung, welche von vielen Technikern in der Praxis eingesetzt wird, ist die Verwendung einer analogen Sendestrecke mit ausgebautem Kompander. Ich habe dies noch nie für eine sonderlich gute Idee gehalten, aber die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Sennheiser Schweiz stellte mir für einen Test freundlicherweise neben dem oben besprochenen System noch ein identisches mit ausgebautem HDX-Kompander zur Verfügung, so dass ich die Möglichkeit eines direkten A/B-Vergleichs hatte.

Betrachten wir zunächst einmal direkt die Unterschiede zwischen den Varianten mit/ohne Kompander, gemessen mit einem Sweep bei Vollaussteuerung des Senders; zwecks besserer Lesbarkeit sind die Kurven grafisch um 10 dB gegeneinander versetzt.

kompanderfreie Sendestrecke Sennheiser

Erfreulicherweise ist die Hochpass-Filtercharakteristik bei der Strecke ohne Kompander sehr viel weniger ausgeprägt. Auch die Welligkeiten im unteren Mittenbereich fallen weg, während sie im Bassbereich bestehen bleiben und sich überdies abhängig von der Stimulus-Länge und vom Pegel auch leicht unterschiedlich verhalten (s. folgende Grafik). Trotz ausgebautem Kompander, verhält sich die Strecke also nicht vollständig linear. Der bereits bekannte leichte Abfall im HF-Bereich ist auch hier zu sehen und fällt noch etwas stärker aus.

kompanderfreie Sendestrecke Sennheiser

Bereits bei -30 dBr Signalpegel (schwarze Kurve) ist erkennbar, dass im Bassbereich erhebliche Welligkeiten auftreten, welche das Ergebnis völlig unbrauchbar machen. In einer sehr viel feineren Variante sind diese Artefakte auch im Mittenbereich in Form von ganz kleinen Peaks sichtbar. Man gerät also hier bereits an die Grenzen der Systemdynamik, bzw. hat sie im Bassbereich bereits überschritten! Bei noch niedrigeren Pegeln, werden die Ergebnisse auch im Mittenbereich zunehmend fragwürdig. Die nächste Abbildung zeigt zum Vergleich den Amplitudenfrequenzgang ca. 40 dB unter Vollaussteuerung des Senders mit und ohne HDX-Kompander (Kurven grafisch um 5 dB gegeneinander verschoben).

kompanderfreie Sendestrecke Sennheiser

Der Kompander in analogen Funkstrecken ist ja nicht einfach drin, um die Leute zu ärgern. Er gewährleistet vielmehr, dass man trotz eines gegebenen Modulationshubs genügend Dynamik in den Audiokanal integriert kriegt, um das System überhaupt sinnvoll nutzen zu können. Die Artefakte sind also primär eine Folge eines unzureichenden Signal-/Rauschabstands. Ohne Kompander schrumpft die nutzbare Dynamik auf rund 30-40 dB zusammen! In vielen Praxiseinsätzen ist dies aber schlichtweg unbrauchbar, zumal dieser Bereich ja auch nur dann gilt, wenn man den Sender exakt auf Vollaussteuerung einpegelt (Headroom ist gelegentlich schon was Feines). Ich möchte dies anhand eines Fallbeispiels und Gedankenexperiments noch etwas näher erläutern:

Nehmen wir eine typische horngeladene Konzertbeschallung im Freien. Mindestens im Bereich der Populärmusik ist es nicht selten, dass der Subwooferbereich 20 oder noch mehr dB über dem Mittenbereich liegt. Das heisst, dass wir also schon innerhalb unseres Systems eine entsprechende Pegelvarianz haben. Je nach Messposition und Systemdesign kann die Differenz auch noch deutlich höher ausfallen, beispielsweise wenn die Subwoofer vor der Bühne aufgebaut sind, das System ansonsten geflogen wird und man eine Messung in den Frontreihen macht; aber lassen wir das mal beiseite. Wir sind also draussen und nehmen an, es gibt sehr wenige Schallreflexionen, weshalb weitgehend das Distanzgesetz mit 6 dB Pegelabfall des Direktschalls pro Distanzverdoppelung gilt (in Räumen ist das etwas anders, aber spätestens, wenn man beginnt mit Fenstertechniken den Direktschall zu bevorzugen, näheren wir uns dieser Situation zwangsläufig wieder). Wenn wir nun davon ausgehen, dass die zu beschallende Fläche 30 Meter in die Tiefe geht, entsteht also ein Pegelabfall von rund 30 dB über die Distanz. Zusammen mit der Pegelvarianz des Systems haben wir nun also (Subwoofer vorne vs. Hochtonbereich hinten) einen Dynamikbedarf unserer Sendestrecke von 50 dB. Und da sprechen wir noch nicht einmal davon, dass wir womöglich auch Messungen ausserhalb der Hauptabstrahlachse machen möchten, was noch einmal zu einem zusätzlichen Pegelabfall in den Höhen führt. Was also soll ich da mit einem Mess-System anfangen, welches mit Mühe und Not gerade mal 30-40 dB hinkriegt?

Ohne besondere Massnahmen ist es in der Praxis somit meistens ausgeschlossen eine kompanderfreie Analog-Funk-Strecke sinnvoll zu betreiben, ohne dass man sich erhebliche Messartefakte einfängt. Der einzig gangbare Weg ist deshalb, dass man die Pegelvarianz an den einzelnen Messpositionen beseitigt und zwar entweder indem man die Verstärkung des Messmikrofons bzw. die Sensitivity des Senders je nach Messposition anpasst (etwas umständlich) oder indem man den distanzabhängigen Pegelabfall für weiter entfernte Messpositionen mittels höherem PA-Pegel korrespondierend kompensiert. Letzteres bedeutet aber unter Umständen, dass man sich dann unterschiedliche Nichtlinearitäten zwischen den einzelnen Messungen einfängt, welche diesmal auf das Lautsprechersystem zurückzuführen sind. Auch Zeitvarianzen, beispielsweise verursacht durch die Leistungskompression (Power-Compression) können ein erhebliches Problem darstellen. Ausserdem müssen die unterschiedlichen PA-Pegel in den Messungen wieder gegenkompensiert werden, da sonst die Information darüber verloren geht, welche Pegelvarianzen die Anlage an den einzelnen Mess-Positionen erzeugt. Das kann man alles machen. Ich möchte aber einfach mal skeptisch all die Kollegen, welche kompanderfreie Strecken einsetzen fragen: Wer ist sich dieser Implikationen überhaupt bewusst? Und wer macht das tatsächlich in der beschriebenen Weise?

Gerade im direkten A/B-Vergleich der beiden Sennheiser-Strecken zeigt sich, dass die Variante mit HDX-Kompander bereits so gut funktioniert, dass ich keinen relevanten Vorteil einer kompanderfreien Strecke sehe.

Betrachten wir dennoch einen Vorteil einer kompanderfreien Strecke: Ein Kompressor erzeugt durch seine Wirkungsweise zwangsläufig nichtlineare Verzerrungen. Selbst wenn der Kompander die ursprüngliche Systemdynamik wieder rekonstruieren kann, bleiben diese Verzerrungsprodukte Bestandteil des Signals. Zur Erläuterung dient die folgende Abbildung, welche bei identischem Signalpegel einen Vergleich der prozentualen harmonischen Verzerrungen mit (rot) und ohne (grün) HDX-Kompander zeigt, beide Systeme kurz unter Vollaussteuerung. Während die grüne Linie fast nicht zu sehen ist, weil sie deutlich unter 1% liegt, kann man bei der roten Linie einen erheblichen Anstieg im Bassbereich erkennen. Wichtig zu verstehen ist hierbei, dass dies lediglich einen konkreten Fall (Messung mit einem 6-Sekunden-Sweep) darstellt. Denn wie ein Kompressor arbeitet, ist einerseits abhängig von seinen Steuerparametern (Attack, Release, Ratio etc.), dadurch dann aber natürlich auch massgeblich vom Signal, welches er verarbeitet. Es geht in der Darstellung also mehr um die relativen Unterschiede, als um die absoluten Zahlenwerte.

Sendestrecken, nichtlineare Verzerrungen

Verzerrungsprodukte sind bekanntlich in vielen Fällen massgeblich pegelabhängig. In Kompanderschaltungen, wie sie in Funkstrecken eingesetzt werden, ist diese Pegelabhängigkeit aber oftmals wenig ausgeprägt, weil sie nicht primär auf einer Sättigung des Systems beruht, sondern ursächlicher Bestandteil jedes Kompressors ist. Deshalb wird man in analogen Funkstrecken oft kaum einen Unterschied der nichtlinearen Verzerrungen finden, egal ob man das Signal mit Vollaussteuerung oder 40 dB darunter in die Strecke einspeist.

Rechtfertigt dies den Einsatz einer kompanderfreien Strecke? Meiner Meinung nach eher nein. Kein vernünftiger Mensch wird (hoffentlich) auf die Idee kommen, "seriöse" Verzerrungsmessungen eines Systems über eine Funkstrecke durchzuführen. Wenn man sich an den Stand der Technik hält und mit Sinus-Sweeps misst, ist auch keine "Störung" der Übertragungsfunktion zu erwarten, da harmonische Verzerrungen durch den Kompander dann ohnehin am Ende der Impulsantwort (genaugenommen eigentlich vor der Impulsantwort) auftauchen und somit nicht im Nutzsignal enthalten sind. Falls sie die Übertragungsfunktion negativ beeinträchtigen sollten, kann man sie auch einfach wegfenstern.


Das Sennheiser Pre-/De-Emphasis-Mysterium

Eine etwas bedenkliche und bisher unerklärte Beobachtung beim Test mehrerer Sennheiser-Strecken soll hier noch erwähnt werden. Sie gibt allenfalls auch einen generellen, das heisst Hersteller-unabhängigen Hinweis auf mögliche Fallstricke, die lauern können, da anzunehmen ist, dass von diesem Phänomen auch andere Hersteller betroffen sind.

Beim Test einer spezifischen Sennheiser-Senderstrecke zeigte sich bei der Messung mit dem Sweep (nicht aber mit Rauschen) nämlich folgendes Bild bei unterschiedlichen Pegeln:

Pre-Emphasis, De-Emphasis

Nach einigem Rumprobieren und Rücksprache mit den Sennheiser-Technikern konnte folgende wahrscheinliche Ursache festgestellt werden: Zwecks Rauschverminderung werden im Sender mit einer Pre-Emphasis die Höhen angehoben und im Empfänger wieder kompensiert. In ungünstigen Fällen kann es nun sein, dass diese Höhenanhebung den zulässigen RF-Spitzenhub überschreitet, woraufhin im Sender ein Limiter eingreift. Da der Empfänger von dieser Limitierung aber nichts weiss und deshalb seine "normale" De-Emphasis durchführt, wird im Audio-Ergebnis der festgestellte Höhenabfall auftreten. Die De-Emphasis-Schaltung kompensiert also einen Anstieg, denn es wegen dem nachgeschaltetem Limiter im Sender gar nicht gegeben hat.

Das Kritische daran ist nun, dass dieser Limiter-Einsatz und die daraus resultierende Verzerrung des Amplitudenfrequenzgangs für den Anwender von aussen nicht sichtbar ist: Laut sämtlichen Audio und RF-Anzeigen von Sender und Empfänger sind die Signale stets einwandfrei im "grünen Bereich".

Richtig mysteriös wurde es dann allerdings, als ich feststellte, dass nicht alle, sondern nur einzelne Strecken von diesem Phänomen betroffen sind und auch das Ausmass nicht in allen getesteten Kombinationen identisch war. Welche Strecken betroffen sind, lässt sich aber weder an der Modellreihe noch an der Firmware festmachen. Sender und Empfänger aus derselben Serie zeigten diese Effekte in einigen Fällen, in anderen aber nicht! Es verhielt sich also geradezu so, als seien die Systeme mit unterschiedlichen Pegeln "gefüttert" worden. Dies war aber definitiv nicht der Fall, da ich für den Test von Sendestrecken ein genau festgelegtes Prozedere durchlaufe, welches sich z.B. was die Vollaussteuerung der Strecken betrifft an den AF-Anzeigen des Empfängers orientiert (die in der Praxis einzig relevante Rückmeldung an den Anwender, ob sein System im gewünschten Pegelbereich arbeitet und nicht unter-/übersteuert ist).

Wie der Hersteller versicherte, sind aber sowohl die Kompander, als auch die Pre-/De-Emphasis-Schaltungen in allen getesteten Serien absolut identisch. Das Verhalten, welches ich feststellte, ist also technisch gesehen eigentlich gar nicht möglich, ausser es würde sich um einen Messfehler handeln. So etwas muss man natürlich immer in Betracht ziehen. Allerdings liess sich der Effekt (oder manchmal eben auch Nicht-Effekt) über mehrere Monate hinweg reproduzierbar bei insgesamt rund 20 Sendern/Empfängern feststellen.

Natürlich wurden auch alle erdenklichen Einstelllungen im Sender und im Empfänger darauf hin untersucht, ob sie der Auslöser sein konnten - ohne Ergebnis. So hatten u.a. weder die Sensitivity des Senders, noch der AF-Gain des Empfängers oder die Squelsh-Rgelungen irgendeinen Einfluss auf die gezeigten Unterschiede!

Die einzig logische Erklärung, die ich dafür habe, ist deshalb, dass die AF-Anzeigen nicht alle gleich kalibriert sind, und dies selbst innerhalb identischer Serien. Dies konnten oder wollten die Sennheiser-Techniker aber nicht bestätigen. Allerdings konnten sie auch sonst keine Erklärung liefern und meine Recherchen verliefen bald im Sande. Eventuell kümmert sich man ja von Herstellerseite her noch einmal vertieft mit der Problematik, was sicher im Interesse aller wäre.


System B: Digitale Funkstrecke

Ein grosser Vorteil digitaler Funkübertragung ist die Tatsache, dass man auf einen Kompander verzichten kann und damit auch die bereits gezeigten Unzulänglichkeiten los wird. Viele Hersteller werben denn auch mit einer besseren Audioqualität. Weshalb uns dies noch nicht zwangsläufig die langersehnte Rettung von allen Artefakten bringt, zeigt das folgende exemplarische Beispiel einer digitalen Funkstrecke, angesiedelt in einem eher hohen Preissegment, entwickelt für den professionellen Markt. Die Grafik zeigt einen hochaufgelösten Amplitudenfrequenzgang (1,35 Hz) bei Vollaussteuerung des Senders, einmal mit Sinus-Sweep, einmal mit Rosa Rauschen gemessen.

digitale Funkstrecke

Erkennbar sind starke Welligkeiten im HF-Bereich. Diese sind für digitale Funksysteme typisch und sind auf Zeitvarianzen in den Codecs zurückzuführen. Dies ist unter anderem auch daran erkennbar, dass die Ergebnisse mit dem Sweep etwas weniger "ausgefranst" erscheinen, was daran liegt, dass eine Messung mit einem Sinus-Sweep bei einem einzelnen gemittelten FFT-Block deutlich weniger anfällig auf Störungen dieses Typs reagiert. Die Welligkeiten sind im Übrigen auch nicht stabil und verändern sich bei jeder Messung etwas.

Für die Darstellung der normalisierten Pegeländerungen habe ich in der folgenden Grafik wieder eine Auflösung von 1/96 Oktaven angewandt. Damit werden die starken Welligkeiten natürlich deutlich geglättet, allerdings sind die Artefakte nach wie vor zu sehen. Auffällig ist ausserdem der Plateau-Absatz der bei den Messungen mit dem Rauschen bei ca. 12 kHz entsteht.

digitale Funkstrecke

Solche Plateaus treten bei digitalen Strecken oft auf, manchmal nur moderat, manchmal auch überaus deutlich sichtbar. Was passiert hier? Nun, offensichtlich werden vor der Übertragung die Signale in einzelne Frequenzbereiche zerlegt und dann im Empfänger wieder zusammengesetzt. Dieses Zusammensetzen will aber oftmals nicht so richtig gelingen, wie das Beispiel zeigt. Erstaunlich ist allerdings, dass der auftretende Fehler sowohl vom Stimulus-Typ, wie auch von der Stimulus-Länge und der Grösse der FFT abhängt, was den Schluss nahelegt, dass der Codec Signalabhängig darüber entscheidet, wie er die Signalrekonstruktion vornimmt. Bezogen auf Messungen ist dies selbstredend recht heikel.

Dass eine Manipulation auf der Zeitebene stattfindet, zeigt auch ein Blick auf den recht "originell" verlaufenden Phasenfrequenzgang. Dieser enthält oberhalb von ca. 5 kHz einige sehr aussergewöhnliche "Sprungstellen", die sich unabhängig vom Pegel, vom Stimulustyp und der Blockgrösse der FFT immer an derselben Stelle befinden. Um diese Unstetigkeiten noch besser sichtbar zu machen, ist in der zweiten Grafik, der gleiche Phasengang in einer Ansicht ohne optischen Umbruch (+/- 180 Grad) dargestellt. Deutlich kann man hier die "Absätze" sehen und somit erahnen in welche Bandbereiche der HF-Bereich aufgesplittet wird.

digitale Funkstrecke
digitale Funkstrecke

Die Verzerrung des Phasengangs ist so ausgeprägt, dass es erfahrungsgemäss schwierig wird, eine korrekte Interpretation von Messergebnissen in diesem Bereich zu erreichen, selbst wenn es um relative Abgleiche mehrerer Systeme geht. Was den Amplitudenfrequenzgang angeht, würden mich insbesondere die Plateau-Abbrüche etwas nervös machen, zumal ich nicht mit Sicherheit sagen kann, wie sie sich unter anderen Messkonditionen äussern. Die Unterschiede zwischen Sweep und Rauschen geben schon mal einen Vorgeschmack darauf, wie unzuverlässig die Ergebnisse womöglich abhängig von einem konkret gemessenen Frequenzgang ausfallen können.

Immerhin muss man dem Hersteller zugutehalten, dass die Strecke explizit nicht für Messungen empfohlen wird.

Sollte man in der Praxis einer solchen Funkstrecke begegnen und lässt sich deren Einsatz nicht umgehen, muss man sich durch eine ausführliche Testreihe auf jeden Fall versichern, in welchem Frequenzbereich und unter welchen Mess-Parametern noch brauchbare Ergebnisse zu erwarten sind.

Lectrosonics HMa/E01 und LR-Receeiver (digital)

Wie macht man's besser? Der US-amerikanische Hersteller Lectrosonics, der vor allem im Broadcastbereich bekannt ist, bietet eine digitale/hybride Übertragungs-Technologie an, die weder einen Kompander nutzt, noch zu massgeblichen Zeitinvarianzen führt. Aus diesem Grunde werden die Strecken schon seit vielen Jahren erfolgreich von Mess-Profis eingesetzt.

Das zu übertragende Datenvolumen wird hier mehr oder weniger verlustfrei reduziert, indem man einen "Trick" anwendet, den ich in Kürze und etwas simplifiziert darstellen möchte. Anhand bereits verarbeiteter Daten macht der Codec eine Prognose darüber, welchen Amplitudenwert die nachfolgenden Samples haben werden. Diese Voraussage lässt sich nun mit einer stark reduzierten Bitrate übertragen. Die Vorhersage ist natürlich nicht perfekt, weshalb nun zusätzlich die Abweichung zwischen Vorhersage und tatsächlichem Signal ermittelt und übertragen wird. Im Empfänger wird das Prognose-Signal dann mit dem Differenzsignal korrigiert, um die ursprüngliche Wellenform zu rekonstruieren.

Lectrosonics

Getestet habe ich eine Kombination aus dem Aufstecksender HMa/E01 und einem kompakten Einkanal-Empfänger aus der LR-Serie im UHF-Band. Das Material ist dank den Metallgehäusen ausgesprochen robust und roadtauglich. Sowohl die Einstellungen an Sender als auch Empfänger sind von der Bedienung her durchdacht und bieten eine Reihe von netten Austattungsmerkmalen, die in der Praxis hilfreich sind. Dazu gehört etwa die einfach Infrarot-Synchronisation von Sende-/Empfangsfrequenz (auch bei vielen Mitbewerbern inzwischen Standard) oder der integrierte RF-Scanner, mit dem sich manuell oder automatisch ein störungsfreies Frequenzband finden lässt.

Im Gegensatz zu einigen der bisher vorgestellten Systeme, zeigt sich hier nur eine äusserst geringfügige und bedeutungslose Abweichung bei der Verwendung von unterschiedlichen Stimulus-Längen. Lectrosonics

Der Frequenzgang ist leider nicht ganz ausgeglichen. Einerseits sieht man einen deutlichen LF-Rolloff. Dieser wird durch das integrierte Hochpassfilter verursacht, bei welchem sich zwar verschiedenen Eckfrequenzen wählen lassen, jedoch kann es nicht vollständig deaktiviert werden, vermutlich aus übertragungstechnischen Gründen. Die tiefste und hier gewählte Eckfrequenz liegt bei 35 Hz, ein geringfügiger Abfall ergibt sich aber bereits ab ca. 100 Hz.

Am anderen Ende des Spektrums ist ein leichter Abfall oberhalb von ca. 10 kHz zu sehen, begleitet von einigen ganz feinen Welligkeiten; beides dürfte in der Praxis bedeutungslos sein. Bei genauem Hinsehen sind auch geringfügige Welligkeiten zwischen 100 und 200 Hz zu erkennen, welche ebenfalls keine Probleme in der Praxis erwarten lassen.

Den doch recht starken Abfall im Bassbereich, mag man im ersten Moment etwas kritischer sehen. Bis zu einer üblichen unteren Grenzfrequenz eines Beschallungssystems von 40 Hz beträgt er aber gerade mal ca. 2,5 dB. Damit kann man sicher sehr gut leben. Wer sich daran stört, kann den Frequenzgang womöglich im Mess-System kompensieren (und damit auch gleich den weiter unten dargestellten Phasengang begradigen). Denn wie die folgende normalisierte Abbildung zeigt, verhält sich die Messung mit dem Sweep unabhängig vom Eingangspegel in das System stets identisch.

Lectrosonics

Bei der Messung mit deterministischem rosa Rauschen kann man hingegen erkennen, dass die eine Kurve einen deutlichen HF-Roll-Off aufweist. Es handelt sich hierbei um den Test, bei dem das Rauschen ungefähr 30 dB unter Vollaussteuerung in den Sender eingespeist wurde. Eine ähnliche Tendenz ist auch bei der Messung mit Sinus-Sweeps ersichtlich, allerdings erst bei noch niedrigeren Pegeln, welche in den Grafiken nicht dargestellt sind (weniger als 40 dB unter Vollaussteuerung). Der Grund für die Unterschiede der beiden Mess-Stimuli liegt vermutlich in der Differenz der Crest-Faktoren von unkomprimiertem rosa Rauschen und Sinus-Sweep, welche ziemlich genau den erwähnten 10 dB entspricht.

Beim direkten Vergleich zwischen den beiden Mess-Signalen fällt ausserdem auf, dass im Mittenbereich die ganz feinstrukturierten Welligkeiten beim Rauschen etwas stärker ausfallen, als bei der Sweep-Messung. Diese lassen sich aber ohne weiteres durch eine Mittelung der Datenpunkte wegglätten, sofern sie einem in der hier dargestellten 1/96-Oktav-Auflösung tatsächlich stören sollten.

Zwangsläufig hat insbesondere das Hochpassfilter einen entsprechenden Einfluss auf den Phasengang und damit die Gruppenlaufzeit. Die Phasendrehung über den gesamten relevanten Frequenzbereich beträgt 720 Grad, was einem Filter 8. Ordnung entspricht.

Lectrosonics

Welche Bedeutung haben nun aber die Abweichungen der Übertragungsfunktion im Alltag? Nun, meiner Ansicht keine wesentlichen. Beim Phasen-/Timealignment von 2 Lautsprechersystemen, geht es in der Praxis immer um die relativen Differenzen zwischen den beiden Systemen. Da in dem Falle aber die Phasenverzerrung der Mess-Strecke auf beide Beschallungssysteme gleichermassen wirkt, hat diese keinen Einfluss auf die Durchführbarkeit oder Genauigkeit einer Anpassung auf der Zeitebene mittels Delay oder Allpassfiltern. Sehr viel entscheidender ist, dass sich das System Phasenstabil, also zeitinvariant verhält, was hier klar der Fall ist. Ausserdem verläuft die Kurve im Gegensatz zum vorgenannten Beispiel "System B" schlüssig und ohne Sprünge und ermöglicht deshalb eine problemlose Beurteilung der relativen Phasendifferenzen mehrerer Einzelmessungen.

Selbst für sehr kritische Anwendungen wie die Bestimmung der Nachhallzeit aus der Rückwärtsintegration der gefilterten Impulsantwort oder die Ermittlung von STI-Werten konnten keinerlei Mängel aufgedeckt werden: Im Vergleich zu einem Deltaimpuls, also der Antwort eines hundertprozentig Amplituden- und Phasenlinearen Systems konnte weder in den Modulationstransferindizes (und damit dem STI) noch in der Auswertung der Nachhallzeit irgendeine praxisrelevante Differenz festgestellt werden.

Als Fazit kann man sagen, dass sich die Lectrosonics-Strecke sehr gut für Messungen im Beschallungsbereich und in der allgemeinen Akustik eignet. Zweifellos ist es aber so, dass sie qualitativ nicht mit einer Kabelgebundenen Lösung mithalten kann. Der besprochene pegelabhängige Abfall im HF zeigt ausserdem, dass es wichtig ist, die Systeme unbedingt korrekt auszusteuern, was eine besondere Sorgfalt erfordert und andernfalls für eine zusätzliche Fehlerquelle sorgt. Gleichzeitig wird damit auch ersichtlich, dass der "gefahrlos" nutzbare Dynamikbereich für heikle Messzwecke sehr viel geringer ist, als man dies anhand des Datenblattes vermuten würde.

Beyerdynamic TG 1000 und MM1w (digital)

Das TG-1000-System von Beyerdynamic arbeitet im UHF-Frequenzbereich und überträgt die Audiodaten in digitalem 24-Bit-Fomat. Mit dem MM1 hat Beyerdynamic ausserdem ein beliebtes und weitverbreitetes Messmikrofon im Angebot. Die selbe Kapsel gibt es auch in einer Drahtlosvariante welche auf den TG-1000-Handsender aufgepflanzt werden kann. Von der Grundidee her ist dies zunächst einmal sehr überzeugend, denn auf diese Weise kann man ein evtl. bereits vorhandenes System durch die Ergänzung mit der MM1w-Kapsel kostengünstig als Mess-System einsetzen. Nach der Einmessung der PA-Anlage, kann der selbe Handsender dann mit einem anderen Kapsel-Kopf versehen und während des Konzertes für einen Sänger oder einen Instrumentalisten genutzt werden. Selbst mehrkanalige Drahtlos-Systeme lassen sich im Endeffekt sehr kostengünstig realisieren, wenn man ohnehin mehrere Sendestrecken und Handsender für die Veranstaltung zu nutzen gedenkt.

Beyerdynamic TG 1000

MM1w Kopf solo (links) und "aufgepflanzt" auf TG-1000-Handsender (rechts; Fotos: Hersteller)

Um lediglich die Sendestrecke an sich zu testen, verwendete ich zunächst allerdings ein TG-1000-Beltback, um die Mess-Signale direkt einspeisen zu können. Bezüglich unterschiedlichen Sweep-Längen zeigte sich das System bis auf ca. 6 kHz sehr stabil, sowohl, was den Amplituden- als auch den Phasenfrequenzgang anging. Oberhalb von ca. 12 kHz stürzt dann die Amplitude allerdings schlagartig und extrem steilflankig ab und zwar in direkter Abhängigkeit von der Sequenzlänge. Auch erhebliche Welligkeiten liegen vor und man sieht ähnliche Plateau-Abbrüche, wie ich sie bereits weiter oben bei System B beschrieben habe.

Beyerdynamic TG 1000

Offensichtlich findet hier ein massiver Eingriff durch einen Daten-Kompressions- und vermutlich auch einen Daten-Reduktions-Algorithmus statt. Ein weiteres Indiz hierfür ist die Instabilität im HF-Bereich, die ich exemplarisch anhand eines kurzes Screenshot-Videos zeige, bei dem eine Sweep-Messung mit jeweils einem Average mehrmals nacheinander durchläuft. Die Abspielgeschwindigkeit wurde auf 50% reduziert. Deutlich kann erkannt werden, wie Amplitude und Phase hin- und herspringen und bei jedem Zyklus ein leicht anderes Ergebnis zeigen. Mit anderen Worten ist die Messung somit mehr oder weniger von Zufallscharakter geprägt. (Video MPEG4, 4 MB, geöffnet in neuem Browserfenster)

Rein vom Messergebnis her müsste man sich eigentlich fragen, ob man eine solche Strecke tatsächlich einsetzen will; letztlich schneidet sie in einigen Belangen deutlich schlechter ab, als das zuvor vorgestellte "System B", welches vom Hersteller explizit nicht für Messungen empfohlen wird. Allerdings reisst das schlüssige Konzept mit dem Wechselkopf einiges wieder raus. Tatsächlich muss man sich als Anwender aber gut überlegen, bis zu welcher oberen Grenzfrequenz man den Messungen noch vertrauen will.

Um die grundlegende Problematik, was die Gruppenlaufzeiten von digitalen Sendestrecken betrifft noch etwas genauer auszuführen ein Exempel: Bei vier unmittelbar aufeinanderfolgenden Messungen an der Strecke von Beyerdynamic betrug die zeitliche Varianz bei einer hohen Frequenz von 12,5 kHz rund 2,1 Mikrosekunden. Das erscheint auf den ersten Blick extrem wenig zu sein. Allerdings bedeutet dies, dass die Phasenlagen der vier Messungen um einen Bereich von fast 10 Grad streuen.

Betrachtet man nun beispielsweise die Ergebnisse eine Frequenzdekade tiefer, dann müsste ein gleicher zeitlicher Versatz zu einer Phasenabweichung von maximal 1 Grad führen. Tatsächlich beträgt die Differenz nun aber lediglich noch 0,2 Grad bzw. 1,4 Mikrosekunden. Es ist also offensichtlich, dass die Signale vom Codec frequenzabhängig in ihrem zeitlichen Verhalten "manipuliert" werden. Anders ausgedrückt entsteht eine Gruppenlaufzeitverzerrung, die sich bei mehreren Messungen frequenzabhängig immer wieder etwas anders verhält.

Wie schlimm ist das? Und sind diese vier Einzelmessungen auch repräsentativ? Ist es denkbar, dass die Abweichungen auch grösser sein können? Nun, dies ist in der Tat sehr schwierig zu sagen. Dazu müsste man sehr viel genauer wissen, wie die Signalverarbeitung durchgeführt wird und durch welche Prozesse die Zeitvarianzen ausgelöst werden bzw. müsste man sehr viel ausführlichere Tests durchführen. Bei einem Vergleich von 40 Messungen, allerdings gewonnen mit unterschiedlichen Stimuli und unterschiedlichen Pegeln betrug die Streuung der Phase bei 1,2 kHz bereits 2,39 Grad, also rund 10x mehr als bei den vier zuerst vorgestellten Messungen.

Sind 2,4 Grad bei 1,2 kHz in der Praxis ein Problem? Vermutlich nein. Können die Abweichungen noch grösser werden oder sich in anderen Frequenzbereichen störender auswirken? Wer weiss! Auf der Basis der Messungen die ich gemacht habe, wage ich die Behauptung, dass unterhalb von 10 kHz die variierenden Gruppenlaufzeitverzerrungen in der Praxis nicht relevant sind, sprich: der Phasenfehler der entsteht liegt innerhalb von wenigen Grad. Dennoch würde ich empfehlen, diesen Aspekt noch genauer zu untersuchen und im Praxiseinsatz beispielsweise mehrere Messungen hintereinander durchzuführen, um Sicherheit darüber zu erlangen ob die Differenzen unter allen Praxisumständen klein genug bleiben.

Der Pegeltest zeigt sodann, dass der eigenwillige Amplitudenverlauf im HF nicht nur instabil ist, sondern offensichtlich auch vom Signalpegel abhängt. Und: eine Messung mit rosa Rauschen fällt deutlich pegelstabiler aus, als eine Messung mit dem Sinus-Sweep.

Beyerdynamic TG 1000

Der Frequenzgang ist ansonsten von einem geringfügigen Anstieg oberhalb von 3 kHz gekennzeichnet. Am unteren Frequenzbereich ist lediglich ein leichter Rolloff ersichtlich, der durch ein sehr tief (20 Hz) und sehr flach (6 dB/Oktave) abgestimmtes Hochpassfilter bestimmt wird. Dies wirkt sich auch entsprechend auf den Phasenfrequenzgang aus, der sich um lediglich 90 Grad dreht.

Beyerdynamic TG 1000

Als nächstes wollte ich den bereits erwähnten Messkopf MM1w testen. Dabei kam es mir in erster Linie darauf an, ihn mit einer kabelgebundenen MM1-Variante direkt zu vergleichen. Als Schallquelle verwendete ich einen kleinen Monitorlautsprecher "Genelec 6010A" und führte in geringer Entfernung von ca. 30 cm eine Groundplane-Messung mit beiden Mikrofon-Varianten durch. Im Gegensatz zu den anderen Frequenzdarstellungen sind die hier dargestellten Resultate auf den Frequenzbereich ab 100 Hz beschränkt, da die kleine Schallquelle unterhalb recht stark an Leistung verlor und sich der Signal-Rauschabstand der Messung entsprechend verschlechterte. Ferner wurde die Glättung auf 1/12 Oktave festgelegt. Ersichtlich sind die Ergebnisse mit einem Sinus-Sweep und einem deterministischen rosa Rauschen, bei einer Sequenzlänge von 0,75 ms. Die grünen Kurven stellen die Variante MM1w/TG-1000 dar, die roten die MM1-Kabelvariante. Wohlgemerkt geht es hier nicht um den Frequenzgang an sich, da in diesen auch die Charakteristik des Lautsprechers und die Raumreflexionen eingehen, sondern lediglich um die Differenz.

Beyerdynamic TG 1000 MM1

Wie man sehen kann, sind die Kurven nahezu deckungsgleich, wenn man zunächst einmal vom stärkeren HF-Abfall der Drahtlos-Variante absieht. Die grösste Abweichung zeigt sich ansonsten in der breitbandigen leichten Erhöhung der Drahtlos-Variante bei 3 kHz, welche ca. 1,5 dB beträgt. Diese dürfte hauptsächlich durch die Reflexion am Gehäuse zustande kommen, welches deutlich grösser ausfällt, als bei einem "normalen" MM1. Die Harmonischen dieser konstruktiven Interferenz-Überhöhung sind auch bei ca. 5,5 kHz und 8,5 kHz zu sehen.

Beyerdynamic TG 1000 MM1

Grössenvergleich MM1w/TG-1000 und MM1 Kabel-Variante

Differenzen in dieser Grössenordnung sind meiner Ansicht nach für die Praxis völlig bedeutungslos. Sie treten hier vornehmlich auch deshalb auf, weil die Schallquelle sehr nahe an den Mikrofonen stand und das Schalfeld deshalb stark durch den 0-Grad-Direktschall geprägt ist. Unter anderen Winkeln treten diese Reflexionen und die damit verbundenen Überhöhungen nicht auf (bzw. äussern sie sich unterschiedlich). In einer realen Situation mit deutlich mehr Diffusschallanteil, wie er in der Praxis üblich ist, werden die ohnehin geringen Unterschiede deshalb noch kleiner ausfallen.

Mein Fazit: Die MM1w-Kapsel in Verbindung mit dem TG1000 Sender/Empfänger ist mindestens im Tief- und Mitteltonbereich eine gute Alternative zu einem Kabel-MM1. Vorsichtig sein sollte man im Hochtonbereich, oberhalb von ca. 6 kHz, wo die Ergebnisse unter Umständen unzuverlässig werden. Eine Messung mit Rauschen scheint hier einer solchen mit Sweep vorzuziehen zu sein.


AKG DMS Tetrad (digital)

Die Problematik der Zeitvarianz, welche sich aber in anderer Weise äussert, zeigt sich noch einmal beim nächsten System mit digitaler Signalverarbeitung. Es handelt sich hierbei um ein AKG Tetrad-Beltback und einem dazugehörenden vierkanaligen Empfänger, welche im 2,4 GHz-Bereich zu Hause sind.

Es sei hier kurz darauf verwiesen, dass Zuverlässigkeit und Reichweite eines in diesem Frequenzbereich arbeitenden Systems oftmals stark zu wünschen übriglassen. Auf kurze Distanzen und in einer leeren Halle, mit guter Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger ist der Einsatz oft problemlos. Störungen z.B. durch WLAN-Netze, Smartphones etc. machen einen Betrieb mit Publikum oder nur schon bei mehreren Gewerken in der Halle, die nach und nach ihre Drahtlosnetze aufbauen und in Betrieb nehmen aber oftmals schwierig bis unmöglich.

AKG DMS Tetrad

Auffallend ist zunächst die gemessene Systemlatenz, die bei über 10 Millisekunden aussergewöhnlich hoch liegt. Eher kurios war, dass trotz der Verwendung des Originalzubehörs, namentlich einem Adapterstecker Mini-XLR auf Mono-Klinke, das System verpolt war (in den untenstehenden Phasendarstellungen durch die Verschiebung des vertikalen Umbruchs gewissermassen "optisch" kompensiert).

Unmittelbar nacheinander wurden 10 Messungen mit einem Sinus Sweep und 10 Messungen mit einem Rosa Rauschen durchgeführt. Die Phasenlagen streuten dabei recht regelmässig über einen gewissen Bereich, der aus der folgenden Abbildung ersichtlich ist: von beiden Mess-Stimuli wurden die zwei Durchgänge mit der grössten relativen Abweichung ausgewählt.

AKG DMS Tetrad

Die Differenzen sind sehr gering. Dennoch sind sie Folge eines zeitvarianten Verhaltens, welches im Praxisalltag allenfalls genauer untersucht werden sollte. Beim durchgeführten Test mit dem Sweep streuten die Phasen bei 12 kHz um rund 13 Grad, eine Frequenzdekade tiefer 1,3 Grad und nochmal eine Dekade tiefer 0,13 Grad. Im Gegensatz zum oben besprochenen Beyerdynamic-System, korrespondiert der Phasenversatz also über die Frequenz hinweg mit dem dazugehörenden zeitlichen Versatz. Anders gesagt, kam es also nicht zu einer Verzerrung der Gruppenlaufzeit sondern zu einer kleinen Schwankung innerhalb der Gesamtlatenz. Meine Vermutung ist, dass die Ursache hierfür ein instabiler Taktgenerator ist. Denkbar ist aber auch, dass die Varianzen dem Kompressions-Codec geschuldet sind. Eine Segmentierung des Signals in einzelne Bandbereiche ist hier entweder nicht Bestandteil des Kompressions-Algorithmus oder aber ist dann so geschickt realisiert, dass keine korrespondierenden Artefakte in den Messungen auftauchen. Denkbar ist, dass dieses gute Ergebnis auch dadurch zustande kommt, dass eine sehr hohe Systemlatenz genutzt wird, welche womöglich einen "sanfter" arbeitenden Codec ermöglicht.

Die schwankende Latenz ist im folgenden kurzen Video noch einmal in Form des Phasenfrequenzgangs (obere Hälfte der Grafik) dargestellt. Dabei wurde eine kontinuierliche Messung mit einem 0,37-Sekunden-Sweep durchgeführt (Video MPEG4, 5 MB). Naturgemäss am offensichtlichsten sichtbar ist die Zeitvarianz im Phasenfrequenzgang bei hohen Frequenzen.

Nur rein zufällig ergab es sich, dass aufgrund (m)eines Fehlers die Funkverbindung gestört wurde (Fehlmontage bzw. Abschattung der Antennen). Erstaunlicherweise war es nun auf einmal so, dass sich die genannten Zeit- und Phasenversätze reproduzierbar verdoppelten! Heisst dies also, dass ich je nach Messort und damit evtl. unterschiedlichen Verbindungsqualitäten unterschiedliche Mess-Latenzen erhalte? Offensichtlich ja! Ist das ein Problem? Könnte durchaus sein - besonders wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Gibt es die von mir festgestellten Zustände "einfache Latenz" / "doppelte Latenz", oder treten noch Zwischenstufen oder Werte ausserhalb dieses Bereichs auf? Ein grosses Feld für Versuche - wer diese Strecke einsetzen möchte, sollte diesen Aufwand nicht scheuen!

Gut schlug sich das System bezüglich Pegellinearität, wie die nächste normalisierte Abbildung zeigt. Als allgemeiner Trend sind eine Hochpassfilter-Charakteristik und eine HF-Überhöhung auszumachen, letztere beim Sweep etwas ausgeprägter und pegelabhängiger als beim Rauschen. Erfreulicherweise keine Unterschiede wurden bei unterschiedlichen Stimulus-Längen gemessen.

Insgesamt kann die Strecke von AKG meiner Meinung nach gut für Messungen eingesetzt werden. Die unterschiedlichen Latenzen müssten aber noch genauer abgeklärt werden.

AKG DMS Tetrad

Line 6 XD-V75 (digital)

Der US-amerikanische Hersteller Line 6 hat inzwischen bereits die vierte Generation digitaler Funkstrecken im Angebot. Für einen Test stand mir ein aktuelles System XD-V75 bestehend aus Taschensender und Empfänger zur Verfügung, das System arbeitet im 2,4 GHz-Bereich und überträgt die Audiodaten im 24-Bit-Format mit 44,1 kHz Abtastrate.

Line 6 XD-V75

Kommen wir direkt zum Test mit unterschiedlichen Pegeln, denn anhand dieser Grafik kann man schon praktisch alles sagen, was es zu sagen gibt.

Line 6 XD-V75

Mit einer einzigen Ausnahme (der Sweep-Messung bei Vollaussteuerung, welche eine minim stärkere Höhenanhebung um ca. ein halbes dB erzeugt; rote Kurve) verhalten sich alle Messungen identisch, sowohl was die Amplitude, als auch die Phase angeht. Weder die Länge noch der Typus des Stimulus beeinflussen das Resultat.

Die generell leichte HF-Anhebung ist auch schon die einzige Abweichung eines ansonsten völlig frequenzlinearen Verhaltens: Das System läuft bis auf die dargestellten 20 Hz runter gerade und flach wie mit dem Lineal gezogen! Eine leichte und flache Hochpassfilter-Charakteristik setzt erst unterhalb von 10 Hz und damit weit entfernt vom interessierenden Frequenzbereich ein.

Entsprechend flach verläuft auch der Phasenfrequenzgang: Gegen unten hin ist praktisch keine Drehung der Phasenlage sichtbar, der geringfügige Anstieg auf etwa 7 Gad bei 20 Hz ist dem eben geschilderten Amplitudenabfall unterhalb von 10 Hz geschuldet. Sichtbar ist ferner ein ganz geringfügiger Anstieg im Hochtonbereich, der mit der leichten Amplitudenüberhöhung erklärbar ist. Die unbedeutende und unproblematische Drehung oberhalb von 10 kHz ist dem Anti-Aliasing-Filter geschuldet, sie tritt in ähnlicher Form deshalb in allen digitalen Audiosystemen mit 48 und insbesondere 44,1 kHz Abtastung auf.

Line 6 XD-V75

Das System von Line 6 verhält sich erfreulich unkompliziert und liefert in nahezu allen getesteten Zuständen identische Ergebnisse und erscheint mir deshalb für Messzwecke besonders gut geeignet.

Contrik Xirium Pro (digital)

Im Gegensatz zu den Funkstrecken, die bisher vorgestellt wurden, handelt es sich beim Xirium Pro von Contrik nicht um ein System welches primär für Mikrofonsignale ausgelegt ist, sondern Linesignale über eine 5,8-GHz-Strecke mit 24 Bit bei 48 kHz überträgt. Hierzu bietet es eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen, etwa die extrem robusten Gehäuse von Sender und Empfänger, die man ohne weiteres auch ungeschützt im Regen betreiben kann. Die Audioanbindung wird über einen Einschub gewährleistet, den es in 2-kanaliger Ausführung für analoge Signale oder AES/EBU, sowie als DANTE-Konfiguration gibt. Praktischerweise wandelt das System dann gerade noch von einem auf das andere Protokoll, wenn am Empfänger und am Sender unterschiedliche Moduln eingesetzt sind. Ebenfalls erhältlich ist ein Repeater-Modul, welches die Signale "auffrischt".

Contrik Xirium Pro

In Abweichung zu den anderen getesteten Modellen konnte dieses nicht bei Vollaussteuerung betrieben werden. Nicht zuletzt hing dies damit zusammen, dass kurioserweise weder an den Geräten selbst noch anhand der dazugehörend Steuerungs- und Überwachungsapp, der Audio-Pegel ersichtlich ist! Auch eine Gainregelung am Ein- oder Ausgang ist nicht vorgesehen. Der maximal verarbeitbare Eingangspegel liegt bei +22 dBu und der Hersteller geht wohl einfach davon aus, dass die Strecke mit entsprechenden Quellen verbunden wird.

Höchst erfreulich ist dann allerdings, dass der Amplitudenfrequenzgang unabhängig vom Stimulus und vom Pegel, identisch blieb. Ausserdem fällt auf wie frequenzlinear und gradlinig er verläuft und zwar praktisch bis auf 20 Hz hinunter. Ein flacher Hochpass setzt erst bei rund 7 Hz. ein.

Contrik Xirium Pro

Auch der Phasenfrequenzgang verläuft extrem flach, abgesehen von der ganz geringfügigen Drehung aufgrund des Hochpasses und dem leichten Abfall im Hochtonbereich. Bei letzterem lassen sich ausserdem wieder die "Treppenstufen" erahnen, die einen Hinweis darauf geben, dass auch hier eine Manipulation einzelner Frequenzbänder stattfindet.

Contrik Xirium Pro

Dass dem so ist, legt auch eine Analyse nahe, bei der 50 unmittelbar nacheinander erfolgte Messungen mit einem 0,75-Sekunden-Sinus-Sweep ähnliche Gruppenlaufzeitverzerrungen bzw. Differenzen zwischen den einzelnen Messungen zutage förderte, wie oben bei der Strecke von Beyerdynmic gesehen.

Alles in allem stellt das Xirium Pro eine sehr gute Wahl dar. Der genaue Pegelbereich in dem sich das System in beschriebener Weise verhält, müsste indessen noch genauer untersucht werden. Dabei sei darauf verwiesen, dass viele der bereits getesteten Strecken bei Vollaussteuerung und teilweise bereits deutlich darunter Verzerrungen im Amplitudenfrequenzgang verursachen, was hier wie erwähnt nicht eigens getestet werden konnte. Selbst wenn man dies ausser Betracht lässt, kann man aber auf jeden Fall aufgrund meiner Messungen sagen, dass sich die Xirium-Strecke nicht zuletzt durch einen sehr grossen Dynamikumfang auszeichnet, über den hinweg sie sich völlig unkritisch verhält.


Fazit

Die Tests haben gezeigt, dass alle Systeme ihre spezifischen, mehr oder weniger grossen Schwächen haben, sich nicht vollständig linear und zeitinvariant verhalten und den Einsatz deshalb sehr viel heikler und potentiell fehleranfälliger machen, als bei der Verwendung einer Kabelstrecke.

Ferner lässt sich feststellen, dass viele der getesteten Strecken erhebliche Mühe mit Mess-Signalen haben, was vornehmlich an den Crestfaktoren und den spektralen und zeitlichen Verläufen zu liegen scheint. Mit anderen Worten: die meisten Funkstrecken sind von ihrer Spezifikation her auf ein - wie auch immer definiertes - "normales Musiksignal" hin optimiert. Die Eignung für typische Mess-Signale blieb entweder unberücksichtigt oder wurde niedriger gewichtet.

Die Modell-spezifischen Einschränkungen sollte man als Anwender sehr gut kennen und im Blick haben. Wer im Umgang mit "seiner" Mess-Software nicht vollständig sicher und geübt ist, seine Messungen auf Plausibilität hin überprüfen und Fehlerquellen zielsicher zuordnen und beurteilen kann, tut sich (und dem Publikum) womöglich keinen Gefallen, wenn er noch zusätzliche potentielle Fehlerquellen integriert.

Das individuelle Verhalten der einzelnen Modelle verunmöglicht es, allgemeine Tipps für den Umgang mit Drahtlos-Messungen zu erteilen. Vielmehr muss man sich vor dem Einsatz intensiv damit auseinandersetzen, wie eine spezifische Sendestrecke auf unterschiedliche Stimuli, Pegel und FFT-Parameter reagiert und daraus dann die richtigen Schlüsse für den jeweiligen Messeinsatz ziehen bzw. den Messaufbau und deren Parameter so wählen, dass keine unerwünschten Artefakte auftreten oder diese mindestens genügend klein bleiben.

Grundsätzlich würde ich heute noch mehr als früher dafür plädieren, wenn immer möglich eine Kabelstrecke für Messungen zu verwenden, auch wenn dies der Bequemlichkeit abträglich ist. Andererseits ist es selbst in recht grossen Hallen keine Hexerei, eventuell zusammen mit einem Assistenten, ein paar hundert Meter Kabel zu verlegen. Falls man zum Schluss kommt, dass man dennoch auf eine Funkstrecke zurückgreifen will, kann man bei genügender Vorsicht und einem Bewusstsein für die Problematik durchaus ein Modell finden, welches der Anwendung und den eigenen Ansprüchen genügt.

Weitere geeignete Sendestrecken (Nachtrag 8. Juni 2019)

Selbstverständlich sind mir nicht alle Sendestrecken bekannt, geschweige denn habe ich alle am Markt verfügbaren Modelle getestet.

Aufgrund des Artikels haben ich viele Rückmeldungen von Anwendern erhalten, die auch andere Typen geprüft haben, die sich fast immer als völlig untauglich oder wenigsten als "mit grosser Vorsicht zu geniessen" herausgestellt haben.

Andererseits gibt es auch von mir nicht getestete Sendestrecken, mit denen andere offensichtlich gute Erfahrungen gemacht haben. Genannt wurde z.B. mehrmals die digitale UHF-Strecke der ACT-800 Serie mit dem Aufstecksender TA-80 von MIPRO, weshalb ich das (ohne Gewähr) hier gerne nachtrage.

Credits

Ich bedanke mich bei den Herstellern und Schweizer Importeuren von AKG, Beyerdynamic, Contrik, Lectrosonics, Line 6 und Sennheiser für die unkomplizierte Zurverfügungstellung von Testobjekten, ausserdem bei Nuance Veranstaltungstechnik, Schönbühl für die notfallmässige Lieferung eines Kabeladapters und Soundhouse, Hassfurt für die Unterstützung bei einigen der Messungen. Die verwendeten Produkte-Fotos stammen von den Websites der Hersteller.

Neben allem, was ich aus eigener Erfahrung, Fallstudien und Tests gelernt habe, verdanke ich mein Wissen über Messtechnik im Allgemeinen und LTI-Systeme im Besonderen, nicht zuletzt einer Reihe von Freunden und Mentoren, die ihr umfangreiches KnowHow in den vergangenen 30 Jahren breitwillig mit mir geteilt haben. Namentlich und ganz besonders sind dies Daniel Zurwerra (Virtually Audio), Dirk Noy (WSDG), Dr. Stefan Feistel (AFMG) und Prof. Dr. Anselm Goertz (IFAA).

Eines der bemerkenswertesten Bücher zur Systemtheorie, welches mir wertvolle Einblicke in die Materie ermöglicht hat, wurde von Prof. Dr. Ulrich Karrenberg verfasst. Es wird in meinen Literaturempfehlungen vorgestellt.

Eigenschaften von und Umgang mit LTI-Systemen sind auch regelmässig Bestandteil meiner Schulungen.

(c) 2019-2021 - Markus Zehner (www.zehner.ch)

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